Archäologie

Syphilis kam aus der Neuen Welt

Europäische Eroberer brachten den Syphilis-Erreger aus Amerika mit

Elektronenmikroskopie von Treponema pallidum, den Bakterien, die Syphilis verursachen
Kolorierte Elektronenmikroskopie von Treponema pallidum, den Bakterien, die Syphilis verursachen. Mehrere spiralförmige Bakterien wurden in Gold hervorgehoben. © NIAID/CC-by 2.0

Zweifel ausgeräumt: Rückkehrer aus der „Neuen Welt“ brachten im 15. Jahrhundert nicht nur Gold und andere Schätze nach Europa – sie bescherten uns auch die Syphilis, wie DNA-Analysen von Gebeinen aus präkolumbischer Zeit belegen. In den Skelettresten aus Amerika fanden sich ausgestorbene Verwandte des heutigen Syphilis-Erregers. Dies widerlegt frühere Annahmen, wonach die Syphilis europäischen Ursprungs sei, berichten Forschende in „Nature“. Europäische Kolonialisten waren es jedoch, die die Infektionskrankheit weltweit verbreiteten.

Syphilis ist eine sexuell übertagbare Infektionskrankheit, die ohne Antibiotika-Behandlung oft tödlich ist. Die Symptome sind vielfältig und die Überlebenden behalten oft bleibende körperliche und geistige Schäden, beispielsweise Veränderungen an Knochen oder Zähnen. Die erste Syphilis-Epidemie, die dokumentiert und historisch belegt ist, begann im Jahr 1495 in Europa. Zu jener Zeit war die Krankheit noch unbekannt, heute tritt sie weltweit auf.

Da die Seuche kurz nach der Rückkehr von Christoph Kolumbus aus Amerika auftrat, vermuteten Experten lange, sie könnte durch Kontakt mit Menschen der Neuen Welt nach Europa eingeschleppt worden sein. Die Vermutung lag nahe, da damals viele übertragbare Krankheiten in umgekehrter Richtung von Europa nach Amerika eingeschleppt wurden.

Kommt die Syphilis aus Europa?

Doch Knochenfunde aus dem europäischen Mittelalter weckten in den vergangenen Jahren Zweifel an dieser Theorie. Denn diese Skelettreste stammen aus der Zeit vor 1492 und wiesen dennoch Läsionen auf, die typisch für Syphilis-Kranke sind. Das legte nahe, dass die Syphilis in Europa schon vor Kolumbus Rückkehr auftrat und dass die Epidemie Ende des 15. Jahrhunderts unabhängig von der „Entdeckung“ und Eroberung Amerikas durch europäische Seefahrer ausbrach.

Allerdings konnte weder der Ursprung in Amerika noch der in Europa bisher eindeutig bestätigt werden. „Allein anhand der Läsionen können wir die Krankheit und ihre Herkunft nicht eindeutig identifizieren“, sagt Koautorin Casey Kirkpatrick vom Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Wo und wann die Krankheit zuerst ausbrach, blieb daher weiterhin unklar.

Foto eines Hüftknochens, der ein uraltes, Syphilis-ähnliches Erregergenom enthielt
Skelettelement von der oberen Hüfte, das ein uraltes, Syphilis-ähnliches Erregergenom enthielt. © Darío Ramirez

DNA aus alten Knochen gibt neue Hinweise auf Seuchen-Ursprung

Ein Team um Rodrigo Barquera vom MPI für evolutionäre Anthropologie hat diese Frage nun geklärt. Es untersuchte dafür in Nord- und Südamerika gefundene Knochen und Zähne mit Syphilis-ähnlichen Spuren aus der Zeit vor Kolumbus. Die seltenen Skelettreste stammen aus Mexiko, Chile, Peru und Argentinien, aus der Zeit um und vor 1492. Aus den Überresten isolierten die Forschenden die DNA der Krankheitserreger und verglichen das Erbgut mit heute kursierenden Erregern.

Das Team rekonstruierte und identifizierte so fünf alte Genome von Bakterien der Spezies Treponema pallidum – dem Erregerkomplex, zu dem auch der Syphilis-Erreger gehört. „Obwohl die Untersuchung aufgrund des schlechten Erhaltungszustands einige analytische Herausforderungen mit sich brachte, konnten wir die Beziehungen zwischen diesen ausgestorbenen Formen und den Stämmen, die heute weltweit die Gesundheit beeinflussen, sicher bestimmen“, sagt Barqueras Kollege Lesley Sitter.

Forscher bei Laborarbeiten an pathologischen menschlichen Knochen
Darío Ramirez bei Laborarbeiten an pathologischen menschlichen Knochen am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. © Rodrigo Nores

Syphilis-Familie stammt doch aus Amerika

Es zeigte sich, dass die isolierte Knochen-DNA von ausgestorbenen Verwandten des heutigen Syphilis-Erregers und anderen Erregern aus derselben Krankheitsfamilie stammt, Frambösie und Bejel. Alle drei Krankheiten werden von Unterarten von Treponema pallidum verursacht. „Wir fanden ausgestorbene Schwesterlinien für alle bekannten Formen dieser Krankheitsfamilie. Syphilis, Frambösie und Bejel sind also moderne Überbleibsel von Erregern, die einst in Amerika kursierten“, erklärt Barquera.

Die Genomdaten belegen demnach, dass diese Infektionskrankheiten tatsächlich schon vor der Ankunft Kolumbus in Amerika verbreitet waren. „Die Daten zeigen eindeutig, dass die Syphilis und ihre bekannten Verwandten ihren Ursprung in Amerika haben“, sagt Seniorautorin Kirsten Bos vom MPI für evolutionäre Anthropologie.

Sprung über den großen Teich und globale Ausbreitung

Die DNA-Daten aus Amerika zeigen auch, dass die Syphilis- und Frambösiefälle in der indigenen Bevölkerung dort um das Jahr 1500 explosionsartig anstiegen. Dabei haben sich offenbar auch die europäischen Eroberer mit den Syphilis-Erregern angesteckt. „Ihre Einschleppung nach Europa ab dem späten 15. Jahrhundert stimmt mit diesen Daten überein“, sagt Bos. Somit legen die Ergebnisse auch nahe, dass die Syphilis mit Kolumbus‘ Rückkehr aus der Neuen Welt nach Europa eingeschleppt wurde.

Die weltweite Ausbreitung von Syphilis, Frambösie und Co in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten ist demnach ebenfalls erst der Kolonialzeit zuzuschreiben. Der Sklavenhandel und die Ausbreitung der Europäer nach Amerika und Afrika dürften dies begünstigt haben, so das Team. „Während die indigenen Bevölkerungsgruppen Amerikas an den frühesten Formen dieser Krankheiten litten, spielten die Europäer eine entscheidende Rolle bei ihrer weltweiten Verbreitung“, sagt Bos.

Gab es noch andere Syphilisbakterien?

Wie das Syphilisbakterium Treponema pallidum nach Amerika kam, ist indes weiter unklar. Es könnte zuvor von einem Tier auf Menschen in Amerika übergesprungen sein, so Barquera und seine Kollegen. Oder es wurde während der ersten Besiedlung des Kontinents von Menschen aus Asien eingeschleppt.

Unklar ist auch noch, welcher Erreger die Syphilis-ähnlichen Spuren auf den in Europa gefundenen Knochen aus dem Mittelalter hinterlassen hat. Das Team vermutet, dass diese Knochenläsionen von anderen Infektionskrankheiten oder anderen Syphilis-Verwandten stammen, die noch nicht identifiziert wurden.

„Die Suche nach diesen früheren Formen geht weiter und alte DNA wird dabei sicher eine wertvolle Ressource sein“, sagt Seniorautor Johannes Krause vom MPI für evolutionäre Anthropologie. „Wer weiß, welche älteren verwandten Krankheiten mit Menschen und anderen Tieren um die Welt gereist sind, bevor die Syphilis-Erregerfamilie auftauchte.“ (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-08515-5)

Quelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

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